Liebe Alex,
vielen Dank für Deine Zeilen, die mich beim Lesen sehr berührt haben. Du hast als junge Frau schon einiges Schmerzhaftes erlebt. Dass der frühe Tod Deiner Mutter Dich noch später danach immer wieder belastet hat und bis heute schmerzt, kann ich gut nachvollziehen. Selbst wenn Du bei Deinen Großeltern ein zu Hause hattest, bleibt da ja die Sehnsucht nach Deiner Mutter.
Du schreibst, dass Dir erst später bewusst wurde, wo sie überall fehlen würde. Und ich glaube in der Tat, ist es so, dass es auch im Erwachsenenalter immer wieder Momente gibt, in denen wir gut unsere Eltern brauchen können oder uns zumindest wünschen, dass sie irgendwie dabei sein könnten und erleben, wie wir in unserem Leben Schritt für Schritt vorangehen. Manche solcher Lebensschritte verlangen ja auch ein wenig Mut und da kann eine Mutter ein wichtiger Anker sein, auch dann, wenn man aus dem Kindesalter längst raus ist. Ich selbst habe früh meinen Vater verloren und ich erlebe das ganz ähnlich wie du es beschreibst: manchmal wünschte ich mir, er könnte bei dem ein oder anderen Ereignis dabei sein.
Was Du schreibst, hat mich nicht bloß berührt, es hat mich auch beeindruckt. Mich beeindruckt, wie klar Du über Deine Erfahrungen schreiben kannst und wie Du Dich diesen schmerzhaften Erlebnissen der Vergangenheit stellst. Dass Du eine Therapie begonnen hast, ist ein ganz wichtiger Schritt, der auch viel Mut und Kraft erfordert. Wie gut, dass Du beides aufbringen konntest und Dich auf diesen Weg begeben hast.
Du schreibst, dass Du eine Sehnsucht danach spürst, glauben zu können, die Sehnsucht danach, Gott an Deiner Seite zu wissen und dass Du diesen Glauben an Gott verloren hättest, als Deine Mutter gestorben ist. Bei solchen Erfahrungen kann es natürlich sein, dass auch der Glaube an Gott fraglich wird.
Beim Lesen Deiner Zeilen musste ich an die Jahreslosung aus dem Jahr 2020 denken. Sie lautete: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9, 24) Für mich ist das ein ganz wichtiger Satz aus der Bibel. Er bedeutet für mich, dass nicht nur derjenige, der immer mit dem Brustton der Überzeugung voller Gewissheit glaubt, zu Gott gehört, sondern dass es beim Glauben immer auch gemischte Gefühle gibt. Als Pfarrerin bin ich ja alltäglich mit religiösen Fragen beschäftigt und doch ist es so, dass ich verunsichert bin, eher suche als Antworten weiß, manchmal zweifle, dann wieder einen Augenblick erlebe, in dem ich Gottes Nähe spüre und dieser Augenblick manchmal so schnell wieder vergeht wie er angefangen hat.
Du schreibst etwas sehr Kluges, liebe Alex. „Wie kann ich zu meinem Glauben finden?“ Diese Formulierung hat mich aufmerken lassen. Es geht nicht um irgendeinen perfekten Glauben voller Gewissheit, sondern um deinen Glauben. Vielleicht ist ja eben Dein Glauben einer, der Brüche hat, der Fragen aufwirft und eher leise als laut daherkommt. Und vielleicht ist es gerade so ein Glauben, der zu Dir und den schwierigen Erfahrungen deines Lebens passt. Mir selbst geht es so, dass ich froh bin, dass mein Glauben Ecken, Kanten und Zweifel kennt, denn ich selbst habe das Gefühl, dass er mich dann auch tragen kann, wenn ich mal wieder an einem Abgrund nicht vorbeikomme.
Ich wünsche Dir alles Gute für Deine Entdeckungsreise und danke Dir, dass ich Dich ein paar Zeilen lang auf dieser Reise begleiten durfte. Ich möchte Dir gern noch eine Predigt zu Lukas 5, 1-11 meines Kollegen Holger Pyka empfehlen, der sich mit genau deiner Frage beschäftigt, nämlich wie man eigentlich anfängt zu glauben. Mich haben seine Worte kürzlich sehr bewegt. Vielleicht sagen sie Dir auch etwas.
Du findest das Video unter folgendem Link:
https://www.youtube.com/watch?v=LXkS5GaeIvY
Herzliche Grüße,
Katharina