Liebe Frau Krumpholz,
vielen Dank für Ihre Frage und die vielen Überlegungen, die darin stecken und auch dafür, dass Sie in Ihren Zeilen Ihr Ringen mit mir teilen. Sie schreiben, dass Ihnen ein bewusster Glaube besonders wichtig ist, also einer, der nicht alles einfach so hinnimmt, sondern Fragen formuliert und nach Antworten sucht. Bei der Frage danach, wie Gott und das Leid in der Welt zusammen zu denken sind, kommen Sie an Grenzen.
Ich könnte Ihnen jetzt allerlei Positionen referieren, Ihnen von Epikur erzählen, von Leibnitz, Hans Jonas und vielen mehr, die sich dieser Frage gewidmet haben. Aber: all das wird Sie nicht befriedigen. Außerdem wissen Sie ganz vieles davon schon oder es taucht in etwas anderen Worten in ihren eigenen Antwortversuchen auf, welche Sie nicht überzeugen können.
Für mich ist es sehr relevant, dass wir im Nachdenken nicht vor dieser Frage kapitulieren, sondern uns auch rational versuchen ihr zu nähern, eben so, wie Sie das in Ihren Überlegungen tun. Allerdings merken wir, dass keine rationale Zugangsweise diese Frage letztlich aufzulösen vermag.
Mich interessiert im Hinblick auf Ihre Zeilen vor allem die ganze Emotion, die ich dahinter vermute. Vorhin ging es mir beim Lesen so, dass ich das Gefühl hatte, die vielen Gefühle, die da beim Schreiben mitgeschwungen sind, richtig spüren konnte. Ich finde, diese ganzen Gefühle sind etwas sehr wertvolles. An ihnen zeigt sich, dass Sie sich bewegen lassen vom Leiden anderer Menschen.
Stellen wir uns einmal einen Moment lang vor, ich hätte die ultimative Antwort für Sie, die Ihnen hinreichend erklären würde, warum es Leid in der Welt gibt und von diesem Moment an wäre es einfach selbstverständlich, dass ein Kind Hunger leidet oder eine Familie durch eine Flut ihr Haus verliert.
Es geht mir jetzt nicht darum, zu behaupten, dass Gott das Leiden zulässt, damit wir fähig werden Mitgefühl zu empfinden. Das wäre ein ziemlich berechnender Gott mit merkwürdigen Erziehungsstilen. Es geht mir eher darum, wahrzunehmen, dass dieses Emotionen rund um Ihre Frage, also Wut, Verzweiflung, Traurigkeit..., uns ja auch in eine ganz besondere Beziehung zu unseren Mitmenschen und immer wieder auch zu Gott setzen. Das scheint mir ja gerade das starke daran, dass Hiob mit Gott hadert. Auch der Streit und die Auseinandersetzung können eine ziemliche Nähe erzeugen.
Sie schreiben, dass Ihnen das Hadern mit ihrer Frage oft die Lebensenergie raube. Für mich als Leserin Ihrer Zeilen steckt da sehr sehr viel Energie drin, in diesem Hadern, in diesem Eifer. Es ist schön, dass Sie mich damit nicht in Ruhe gelassen haben und ich möchte Sie ermutigen, auch Gott damit nicht in Ruhe zu lassen. Die Klagepsalmen sind z. B. berührende Texte, in denen gerade das geschieht, dass Menschen ihre Ohnmacht, Verzweiflung und Wut vor Gott bringen.
Vielleicht geht es ja im Fall dieser Frage gar nicht in erster Linie um die Vernunft und das Denken, sondern vor allem um die Ebene des Gefühls. Eine befriedigende Antwort auf Ihre Frage, kann das natürlich nicht sein. Aber wahrscheinlich waren Sie schon darauf eingestellt, dass eine solche wohl auch nicht möglich ist. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass Sie mich ein wenig mitgenommen haben in Ihren "Wust" an Fragen und all die Emotionen.
Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und dass dieses Interesse für grundlegende Fragen nach Gott und der Welt nicht versiegen möge...
Herzlich
Katharina Scholl