Liebe Fragestellerin, Sie haben Ihre Frage teilweise ja schon sehr gut für sich beantwortet! Dennoch verwirrt Sie das Bild vom "Buch des Lebens". Ja, das Bild vom "Buch" könnte Angst einjagen. Kinder fürchteten sich früher vor dem Buch, das Nikolaus mit sich trägt und in dem geschrieben steht, was sie im vergangenen Jahr Gutes und vor allem Böses getan haben. Die Vorstellung, dass in einem Buch alle unsere Taten aufgeschrieben sind und dann am jüngsten Tag über sie gerichtet wird oder dass die Namen der Gerechten in einem Buch bei Gott verzeichnet sind, diese Vorstellung begegnet an verschiedenen Stellen in der Bibel. Ich finde aber, dass in den Versen von Psalm 139 sich das Vertrauen ausdrückt, dass eben NICHT zu Buche schlägt, was ich falsch oder richtig mache, sondern dass vielmehr umgekehrt mein Leben in Gottes Buch schon längst vorgezeichnet ist.
Dass unsere Lebenstage bereits in Gottes Buch geschrieben wurden, bevor sie sich überhaupt ereignet haben, nimmt uns nicht die Handlungsfreiheit weg. Das Bild vom Buch ist gerade daher ein höchst faszinierendes Bild. Geschriebenes braucht einen Leser, eine Leserin, um lebendig zu werden. Und in jedem Leser und in jeder Leserin werden die Buchstaben anders lebendig. Das erfahren Sie, wenn Sie sich mit jemandem über Gelesenes austauschen und feststellen, dass Sie sehr unterschiedliche Leseerfahrungen gemacht haben, obwohl Sie dasselbe gelesen haben.
Dass der Leser und die Leserin das Geschriebene allererst lebendig machen, das gilt auch für die in Gottes Buch geschriebenen Tage. Wir sind es, die diese von Gott geschenkten Tage hier in der Welt mit Leben füllen. Gott, der uns bis in unser Innerstes kennt, hat die einzelnen Ereignisse unseres Lebens nicht vorherbestimmt, Vieles legt er in unsere Hände. Und deshalb liegt vieles von dem, was auf Erden geschieht, auch in unserer Macht. Gott hat meine Lebenstage aufgeschrieben – es ist an mir, sie zu lesen und sie zu leben. Viel Freude dabei wünscht Ihnen Veronika Ullmann
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