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Kommen Transsexuelle in der Bibel vor?

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Der Kämmerer der ägyptischen Königin lässt sich nach einer Pilgerreise von Philippus taufen (Apostelgeschichte 8, 26-40). Gemalt um 1640 von Gerrit Claesz Bleker.

Foto: Gerrit Claesz Bleker/Wikimedia Commons/Public Domain

Der Kämmerer der ägyptischen Königin lässt sich von Philippus taufen (Apostelgeschichte 8, 26-40). Gemalt um 1640 von Gerrit Claesz Bleker.

Bisher haben Kirche und Theologie kaum etwas zum Thema Transsexualität zu sagen. Es mag daran liegen, dass darüber wenig in der Bibel steht. Doch es gibt einige Stellen, die man zu dem Thema heranziehen kann.

Genau zwei Bibelstellen wurden von den Theologen bei der Konferenz "Transsexualität. Eine gesellschaftliche Herausforderung im Gespräch zwischen Theologie und Neurowissenschaften" Anfang Februar in Frankfurt zitiert: 1. Mose 1,27 und Galater 3,28. Die Biologin Joan Roughgarden steuerte noch Apostelgeschichte 8,26-40 und andere Verse über Eunuchen bei. In Bezug auf die Geschlechtsangleichung schlug ein Teilnehmer außerdem das Motiv der "neuen  Kreatur" aus den neutestamentlichen Briefen vor. Doch der Reihe nach.

"Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau", so steht es in 1. Mose 1,27, richtiger übersetzt: "männlich und weiblich". Wie können Menschen, die homo-, bi- inter- oder eben transsexuell veranlagt sind, dieses binäre Modell "männlich und weiblich" verstehen und auf sich beziehen? Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung sagte dazu: "Die Zweigeschlechtlichkeit von Mann und Frau ist eine besondere Gabe Gottes. Sie ist aber nicht das einzige Schöpfungsgemäße, gegenüber dem andere geschlechtliche Orientierung als defizitär zu beurteilen wäre." Der evangelische Theologe Dirk Evers von der Universität Halle-Wittenberg ergänzte: "In der wechselseitigen Bezogenheit und seiner sexuellen Diversität entspricht der Mensch seinem Schöpfer." Nicht nötig, dass ein Mensch sich eindeutig als Mann oder Frau einordnet, um der Schöpfungsordnung zu entsprechen.

Als Begriff kommt Transsexualität natürlich nicht in der Bibel vor. Aber erwähnt werden mehrfach Eunuchen, kastrierte Männer, in der deutschen Übersetzung auch als "Verschnittene" bezeichnet. Sie waren häufig Hofbeamte, zum Beispiel Kämmerer. Kann man Eunuchen als Variante der Schöpfung betrachten? Und kann man sie gleichsetzen mit transsexuellen Frauen unserer Zeit? Transfrauen sind Menschen, denen nach der Geburt aufgrund der körperlichen Merkmale das Geschlecht "männlich" zugewiesen wurde und die zunächst als "Junge" bzw. "Mann" leben, bis sie sich zur Geschlechtsangleichung entscheiden. Die männlichen Geschlechtsorgane werden also auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin entfernt, was bei einem Teil der Eunuchen, die in der Bibel erwähnt werden, sicher nicht so war.

Gott urteilt nach Treue - nicht nach Geschlecht

Doch die transsexuelle bayerische Pfarrerin Dorothea Zwölfer kennt eine Transfrau, die sich selbst  kastriert hat, weil der Leidensdruck, im "falschen" Körper zu sein, zu groß war und der Angleichungsprozess quälend lang dauerte. "Ein klassischer Fall von Eunuch" also, sagte Dorothea Zwölfer am Rande der Konferenz, "und das ist kein Einzelfall. Wenn die Geschlechtskörperdiskrepanz massiv ist, kommt das relativ oft vor." Weil das kulturelle und soziale Umfeld dieser heutigen Fälle sich von Eunuchen biblischer Zeiten allerdings unterscheidet, bleibt der Vergleich mit Vorsicht zu genießen. Und für Transmänner, also Menschen, denen nach ihrer Geburt das Geschlecht "Frau" zugewiesen wurde, die sich aber als Männer empfinden und operieren lassen, passt das Bild vom Eunuchen nicht ganz.

Im 5. Buch Mose – grob gesagt: dem Gesetz für das Volk Israel – gibt es einen Vers, der Eunuchen ausgrenzt: "Kein Entmannter oder Verschnittener soll in die Gemeinde des Herrn kommen." (5. Mose 23,2) Ausgrenzung oder Diskriminierung sind Erfahrungen, die Transmenschen auch heute machen. Doch andere Verse im Alten Testament klingen freundlicher, Jesaja 56,4-5 zum Beispiel: "Den Verschnittenen, die meine Sabbate halten und erwählen, was mir wohlgefällt, und an meinem Bund festhalten, denen will ich in meinem Hause und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen geben; das ist besser als Söhne und Töchter. Einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll." Oder Weisheit 3,14: "Selig ist auch ein Entmannter, der nichts Unrechtes tut und nichts Böses gegen den Herrn erdenkt; dem wird für seine Treue eine auserlesene Gabe und ein besseres Los im Tempel des Herrn gegeben werden." Hier werden Eunuchen ausdrücklich ins Gottesvolk integriert, weil sie nach ihrer Treue beurteilt werden und nicht nach ihrer Geschlechtlichkeit.

Im Neuen Testament erwähnt Jesus die "Verschnittenen", als er mit Schriftgelehrten über Ehe und Ehelosigkeit diskutiert: "Denn einige sind von Geburt an zur Ehe unfähig; andere sind von Menschen zur Ehe unfähig gemacht; und wieder andere haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht um des Himmelreichs willen. Wer es fassen kann, der fasse es!" (Matthäus 19,12) Mit dieser Aussage mache Jesus "diese Gruppe sichtbar – und die Umwelt kapiert es anscheinend kaum", sagte Dorothea Zwölfer. Er stelle außerdem "klar, dass es mehr gibt als eine binäre genitalgeschlechtliche Ordnung".

Auch der Kämmerer aus Äthiopien in Apostelgeschichte 8, 26-40 ist ein Eunuch. In der Geschichte reist der Beamte der ägyptischen Königin nach einer Pilgerreise von Jerusalem wieder heim. Er begegnet dem Apostel Philippus, der ihm – vom Heiligen Geist geführt – einen Jesaja-Text auslegt und das Evangelium von Jesus bezeugt. Daraufhin lässt sich der Kämmerer auf der Stelle taufen. "Ich glaube, das ist wirklich ein ganz starkes Mandat für die Inklusion von Transgender-Personen", sagte dazu auf der Frankfurter Konferenz die Biologin Joan Roughgarden. Und Dorothea Zwölfer ergänzte: "Gottes Geist wollte, dass dieser Mensch getauft wird. Eine explizite Formulierung dessen, wie Kirche mit denen umzugehen hat, die 'verschnitten' sind!"

Die Arbeitsgruppe "Queer in Kirche und Theologie" (Quikt) hat sich Gedanken darüber gemacht, wie die Kirche konkret mit Transmenschen umgehen kann: Indem sie die Geschlechtsangleichung mit ihnen feiert. In einer Arbeitshilfe hat Quikt Texte Gebete, Lieder und Bibelstellen zusammengestellt, die in einer solchen Feier verwendet werden könnten. Unter den Bibeltexten sind zwei aus den neutestamentlichen Briefen: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden", schreibt der Apostel Paulus in 2. Korinther 5,17. So ähnlich klingt Epheser 4,23-24: "Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit."

Den neuen Menschen "anziehen"

Was hat es mit diesem "neuen Menschen" auf sich? Durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, so die Botschaft des Neuen Testamentes, leben Christen schon in einer neuen Heilszeit. Das "Königreich der Himmel", von dem Jesus sprach, ist für sie schon angebrochen. Allerdings nicht mit einem großen Knall, sondern eher subtil. Auf bibelwissenschaft.de heißt es dazu, es sei "keine andere Welt, sondern diese Welt anders; kein Leben im Himmel, sondern den Himmel auf Erden; kein Ende der Zeit, sondern ein Ende des Leids in einer Zeit ohne Ende." Die Vorstellung vom "Königreich der Himmel" hat mit Sehnsucht zu tun: In ihrer instabilen und unvollkommenen Existenz sehnen sich viele Menschen nach einem neuen, anderen Leben. Für Transmenschen nach erfolgter Operation, so könnte man interpretieren, ist diese Sehnsucht zum Teil schon erfüllt worden: In ihrem neuen Körpergeschlecht sind sie so etwas wie eine "neue Kreatur", haben "den neuen Menschen angezogen". Allerdings sollte dazu immer auch gesagt werden: Das "Neue" gilt für alle Christen, und für keinen ist es bereits vollendet.

Ein Grundsatz für die christliche Gemeinde lautet: "Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus", der berühmte Vers aus Galater 3,28. Was Paulus damit ausdrückt, beschreibt der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock mit den Begriffen "Gleichwertigkeit" und "Inklusion". "Gott liebt und achtet in Christus jeden – gleich – in seiner Unterschiedlichkeit gleich; eine solche Gleichheit ist keine Gleichmacherei, sondern gleiche Würdigung", sagte Dabrock auf der Konferenz in Frankfurt. Auch Volker Jung zitierte den Vers in seinem Vortrag und sagte: "Die Zusage des Heils in Jesus Christus ist gerade nicht an menschliche Herkunft und Rollenzuschreibung gebunden."


Rund 10.000 Teilnehmer bei "Willow Creek"-Kongress

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Rund 10.000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus Kirchen im deutschsprachigen Raum suchen noch bis Samstag in Hannover nach Impulsen für ihre Gemeindearbeit.

Der Leitungskongress ist der zweitgrößte in der Geschichte der christlichen Organisation "Willow Creek" mit Wurzeln in den USA, sagte der Vorsitzende von "Willow Creek Deutschland", Ulrich Eggers, am Donnerstag in Hannover. Unter dem Motto "Zukunft - Hoffnung - Kirche" feiert die Bewegung zudem das 20-jährige Bestehen der Kongresse in Deutschland.

In den Vorträgen mit Musik, Theater und Film soll es auch um die Flüchtlingskrise gehen. Es reiche nicht mehr, nur etwas für Menschen in Not zu geben, sagte der Professor für Praktische Theologie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Michael Herbst: "Wir müssen von einer Haltung des Gebens zu einer Haltung des Teilens kommen." Das könne vor allem die Kirche gut vermitteln.



Zehn Vorträge von Referenten aus Deutschland, den USA, Australien, Uganda und der Schweiz sollen die Kongressbesucher für ihre Arbeit inspirieren. Zu den Referenten zählen unter anderem der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, und der amerikanische Pastor, der die Gemeinde 1975 in South Barrington bei Chicago gegründet hat, Bill Hybels. Auf einer Messe stellen christliche Initiativen ihre Arbeit vor.

"Willow Creek Deutschland" veranstaltet den Leitungskongress alle zwei Jahre. Die "Willow Creek"-Vereinigung wurde 1992 als Netzwerk zwischen christlichen Gemeinden gegründet. Zu diesem Netz gehören heute weltweit etwa 11.000 Gemeinden. "Willow Creek Deutschland" arbeitet überkonfessionell. Die Organisation gehört unter anderem zur Deutschen Evangelischen Allianz und ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste.

Predigt zur Fastenaktion 7 Wochen Ohne: "Gott nimmt den Druck vom Herzen"

Heike Springhart gewinnt ersten Frauen-Preacher-Slam

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Die evangelische Theologin Heike Springhart hat den ersten badischen Frauen-Preacher-Slam gewonnen.

An dem theologischen Vortragsturnier, das nach Angaben der Veranstalterinnen auch bundesweit die erste Veranstaltung dieser Art nur für Predigerinnen war, hatten sich am Samstagabend elf Frauen beteiligt. Am Vorabend zum Valentinstag öffneten Theologinnen, Studentinnen, Politkerinnnen und eine Tierärztin in der vollbesetzten Heidelberg Peterskirche einen "Wörterhimmel der Liebe". Die 40-jährige Springhart leitet das Evangelische Studienseminar Morata-Haus in Heidelberg.

In den Fünf-Minuten Vorträgen von der Kurzgeschichte bis zur literarischen Comedy, von Lyrik bis Rap und Performance-Prosa, vom augenzwinkernden Gleichnis bis hin zur klassischen Predigt war alles erlaubt, was die Aufmerksamkeit der Zuhörer weckt. Diese entschieden auch über die Gewinnerin des Wettstreits mit Punkten, Applaus und Lachen. Der "Hörgenuss der besonderen Art" wurde moderiert von der Essener Slam-Liebhaberin und Theologin Christina Brudereck.

Den zweiten Platz belegte die ehrenamtliche Predigerin, Prädikantin Elke Niebergall-Roth aus Mannheim. Der dritte Platz ging an Pfarrerin Martina Reister-Ulrichs aus Heidelberg-Handschuhsheim.

Der erste badische Frauen-Preacher-Slam war Teil des Festprogramms zum 100-jährigen Bestehen der evangelischen Frauenarbeit in Baden. Kirchlich engagierte Frauen gründeten 1916 mitten im Ersten Weltkrieg den Evangelischen Frauenverein für Innere Mission.

Trauergottesdienst für Opfer von Bad Aibling

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Trauergottesdienst fuer die Opfer des Zugungluecks von Bad Aibling

Foto: epd/Lukas Barth

Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die Opfer des Zugunglücks von Faschingsdienstag bei Bad Aibling am Sonntag in der Pfarrkirche St. Georg in Bad Aibling

Auf das Leid der Hinterbliebenen und Schwerverletzten gebe es nur die "verzweifelt-zuversichtliche Antwort: Gott verlässt uns nicht und er weicht nicht von uns", sagte Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler in der Predigt.

Mit einem ökumenischen Trauergottesdienst ist am Sonntag in Bad Aibling der Opfer des Zugunglücks gedacht worden. "Es gibt ein Leid, für das wir keinen Grund finden, das wir nur miteinander aushalten können", sagte die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler in ihrer Predigt. Die drängende Frage nach dem "Warum" lasse sich "mit keiner noch so gescheiten Theologie" beantworten.

Bei dem Zugunglück am Faschingsdienstag waren bei Bad Aibling zwei Regionalzüge frontal zusammengestoßen. Elf Menschen kamen ums Leben, rund 80 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Unglücksursache ist bisher nicht bekannt.

Auf das Leid der Hinterbliebenen und Schwerverletzten gebe es nur die "verzweifelt-zuversichtliche Antwort: Gott verlässt uns nicht und er weicht nicht von uns", sagte Breit-Keßler, die auch ständige Vertreterin des bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm ist. Sie gestaltete den Gottesdienst in der katholischen Kirche St. Georg in Bad Aibling gemeinsam mit Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising.

Breit-Keßler verwies auf Spekulationen zur Unglücksursache und sagte: "Am Elend der betroffenen Familien ändern mögliche Erkenntnisse nichts." Wer stirbt, hinterlasse eine Lücke für immer. Diese Wunde könne auch die Zeit nicht heilen. Die Theologin dankte den Rettungskräften, Polizisten, Bergwachtlern, Feuerwehrleuten und Seelsorgern für ihren Einsatz und bezeichnete sie als "lebendige Symbole" für Gottes Trost.

Mit Blick auf das nahe Osterfest sprach Breit-Keßler den Angehörigen die christliche Hoffnung der Auferstehung zu: "Mit Gottes Hilfe können wir auferstehen zu einem neuen Leben, in das das alte unauflöslich mit hinein gehört."

Religionsportal für Kinder bekommt MDR-Onlinepreis

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Kinder mit Tablet-PCs

Foto: Getty Images/iStockphoto/dolgachov

Der MDR-Rundfunkrat verleiht zum vierten Mal den Kinder-Online-Preis an herausragende Webseiten und Beiträge für Kinder und Jugendliche. Das interreligiöse Projekt www.religionen-entdecken.de bekommt im Rahmen der Leipziger Buchmesse am 20. März 2016 den zweiten Preis verliehen.

Der Kinder-Online-Preis 2016 wird für zwei Wettbewerbsbeiträge vergeben. Den zweiten Preis vergibt die Jury für die Seite www.religionen-entdecken.de. Diese vermittelt Kindern unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund und Bildungsstand Wissen über die Weltreligionen, baut Berührungsängste ab und bringt die Kinder miteinander in Kontakt. Die Jury lobt dieses einzigartige Angebot, das aktuell wichtiger denn je ist, aufklärt und die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen und Verständnis zu wecken.

Das interreligiösen Projekt www.religionen-entdecken.de will Kindern und Jugendlichen Wissen über Religionen vermitteln und respektvolle Umgangsweisen im Schutz der Anonymität vermitteln. Die Nutzer sind auf dem Online-Portal aufgefordert, zu jedem Thema Fragen zu stellen und mit zu diskutieren. Ein Team von Experten der Religionen und Religionspädagogen erarbeitet die Antworten. Seit dem Start im Juli 2013 gibt es zunehmend mehr Stichworte für das umgangreiche Lexikon, Spiele, Quiz, Buch- und Ausflugstipps, Filme, Projektberichte, Umfragen und ein Forum. Auch Erwachsene finden Tipps, zudem gibt es Unterrichtsideen für Pädagogen. Überall können Nutzer ihre Meinung sagen, diskutieren, abstimmen und Fragen stellen. Die beiden Herausgeberinnen des Projektes sind die Journalistinnen Christiane Baer-Krause und Barbara Wolf-Krause. Das Online-Portal wird unterstützt mit Bildmaterial vom Evangelischen Pressedienst (epd).

Über die Sieger hat eine sechsköpfige Jury entschieden. Sie besteht aus drei Mitgliedern des MDR-Rundfunkrates (jeweils aus den drei Staatsvertragsländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) und drei Online-Experten, die beruflich im MDR-Sendegebiet verwurzelt sind. Dabei wird besonderer Wert auf Kinderfreundlichkeit, Gewaltfreiheit, Verständlichkeit und pädagogische Inhalte gelegt. Außerdem sollten die eingesandten Vorschläge humanistisches Gedankengut und die Achtung der Menschenwürde fördern. Erstmalig sollten auch Kinder ihre Meinung einbringen können: Dazu hat am Ende der Bewerbungsfrist unter www.mdr-rundfunkrat.de ein Online-Voting stattfinden sollen. Der ermittelte Sieger sollte wie das Votum eines siebenten Jurymitglieds gewertet werden.

Mit dem ersten Platz würdigt die Jury die Website www.kritzel-klub.de. Auf diesem interaktiven Angebot können sich Kinder kreativ ausleben. Der Wettbewerb richtet sich an Autoren und Online-Redaktionen aus dem deutschsprachigen Raum. Die von den Mitgliedern des MDR-Rundfunkrats gestiftete Auszeichnung ist insgesamt mit 6.000 EUR dotiert und wird alle zwei Jahre verliehen. religionen-entdecken.de erhält ein Preisgeld von 2.500 Euro. Die Sieger-Seiten sollen ab dem 18. Februar 2016 unter www.mdr-rundfunkrat.de veröffentlicht werden.

"Es gibt dort Ärger, wo es einen Mangel an Wissen gibt"

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 Webseiite www.religionen-entdecken.de

Foto: Sigrun Bilges

Kinder erfahren viel über die Weltreligionen auf www.religionen-entdecken.de.

religionen-entdecken.de vermittelt Kindern Wissen über die Weltreligionen, baut Berührungsängste ab und bringt die Kinder miteinander in Kontakt. Dafür hat das Portal den zweiten Platz beim Kinder-Onlinepreis des MDR-Rundfunkrates gemacht. Herausgeberin Jane Baer-Krause erzählt, warum das Projekt einzigartig ist.

Frau Baer-Krause, Sie haben mit religionen-entdecken.de den zweiten Platz beim Kinder-Online-Preis des MDR-Rundfunkrates gemacht. Mit welchen Gefühlen werden Sie zur Preisverleihung am 20. März 2016 zur Leipziger Buchmesse fahren?

Jane Baer-Krause: Wir freuen uns gemeinsam mit dem ganzen Team riesig darüber, dass wir diesen Preis gewonnen haben und meine Kollegin und ich fahren natürlich gerne nach Leipzig, um ihn entgegenzunehmen. Außerdem sind wir gespannt auf den Gewinner des ersten Preises. Vielleicht können wir uns vernetzen und künftig sogar gemeinsam etwas machen? Denn unser Ziel ist es immer, religionen-entdecken.de mit anderen guten Kinderseiten auszutauschen und gegenseitig zu ergänzen.

religionen-entdecken.de ging im Juli 2013 an Start. Was ist das Besondere an diesem interreligiösen Projekt?

Baer-Krause: Das Projekt ist auf Wunsch der User entstanden und wächst an ihren Fragen. Beides ist einzigartig in diesem Themenbereich – sowohl in Deutschland, als auch im Ausland, soweit ich weiß. Auf den Mangel an einem solchen interreligiösen Angebot bin ich bei der Arbeit an einer anderen Kinderseite gestoßen. Dort hatte ich das Thema Religionen vor etlichen Jahren als eines unter vielen einmal angeschnitten - und wurde von den Kindern mit Fragen überschüttet. Da herrschte ein Riesenbedarf. Dass ein entsprechendes Angebot fehlt, habe ich damals der Bundesinitiative "Ein Netz für Kinder" mitgeteilt. Letztlich wurde ich dort gefragt, ob ich das nicht umsetzen könnte. Das Besondere am Projekt selbst ist, dass wir den Kindern nur ein Basiswissen zur Verfügung gestellt haben und sie dann selbst entscheiden konnten, wo es lang geht. Das Konzept funktioniert sehr gut: Kinder und Jugendliche stellen uns sehr viele Fragen, anhand der Antworten wächst das Projekt immer weiter.

Was wollen Sie damit erreichen?

Baer-Krause: Wir möchten den Kindern Wissen über die Weltreligionen vermitteln. Auf diese Weise möchten wir ihnen Angst vor fremden Verhaltensweisen und Ritualen anderer Religionen nehmen und Berührungsängste abbauen. Die Kinder und Jugendlichen können bei uns miteinander in Kontakt treten. Wir möchten Toleranz und ein respektvolles Umgehen miteinander üben und hoffen, dass sie diese im realen Leben etablieren.

Was denken Sie, für was Sie diesen Preis hauptsächlich erhalten werden?

Baer-Krause: Ich bin auch gespannt auf die Erklärung bei der Preisübergabe. Aber ich vermute, dass auch die Tatsache eine Rolle spielt, dass die Religionen ein besonderes Thema in dieser Zeit sind. Unsere Gesellschaft wird immer multikultureller. Damit treffen immer mehr Religionen aufeinander und schließen sich auch immer häufiger zusammen: das Haus der Religionen in Bern hat im letzten Jahr eröffnet, in Hannover gibt es ein Haus der Religionen und das Haus of One in Berlin baut sich langsam auf. Außerdem gibt es viele andere interreligiöse Projekte. Ich glaube, ein friedliches Zusammenleben funktioniert nur, wenn alle mehr übereinander erfahren und sich austauschen. Man kann auf einem engen Raum wie in Deutschland nicht gut nebeneinander zusammenleben. Das geht besser miteinander.

Das Projekt will Kindern und Jugendlichen Wissen über Religionen vermitteln. Wo ist die größte Wissenslücke? Was fragen Ihre Nutzer am meisten nach?

Baer-Krause: Das ist unterschiedlich. Viele Kinder und Jugendliche recherchieren bei uns ihre Hausaufgaben. Manchmal kommen ganze Schulklassen. Das sehen wir an einer Häufung konkreter Fragen, etwa zu den Heiligen Schriften im Judentum, die dann offensichtlich gerade in einer Klasse durchgenommen werden. Es gibt aber auch Kinder, die ganz gezielt aus ihrem Alltag und Lebensbereich Fragen stellen. Diesen Fragen ist auch der neue Bereich, mit dem wir in der vergangenen Woche online gegangen sind, geschuldet. Da geht es um die Positionen der einzelnen Glaubensgemeinschaften zu Alltagsfragen: Ehe, Familie, Gleichberechtigung, Rolle der Frau, Sexualität und so weiter. Jugendliche, die zum Beispiel merken, dass sie homosexuell veranlagt sind und sich damit allein gelassen fühlen, fragen sich, wie das mit ihrer Religion korrespondiert und wie sie einen Weg finden können. Sie erzählen: "Ich bin ein Junge und habe mich in einen anderen Jungen verliebt. Meine Eltern sind katholisch und ich weiß, dass die das nicht gut finden. Was nun?" Es werden aber auch Fragen zur Schöpfung, zum Umweltschutz oder Tierschutz gestellt. Diese Themen werden den Bereich "Religion + Gesellschaft" im Frühjahr noch erweitern. Außerdem greifen wir noch Themen zum Thema Tod auf, zum Beispiel Sterbehilfe oder Suizid. Darf man sich umbringen? Was sagt jede Religion dazu?

"Indem wir erklären, worum es dabei geht, können wir Ängste abbauen."

Wer antwortet bei Ihnen?

Baer-Krause: In der Regel recherchieren und formulieren meine Kollegin Barbara Wolf-Krause oder ich erst einmal Antwortentwürfe vor. Unsere jeweiligen Experten korrigieren oder ergänzen sie oder winken sie durch. Die Expertinnen und Experten sind fast alle Wissenschaftler aus verschiedenen Hochschulen hier in Deutschland: Theologen, Religionswissenschaftler oder Religionspädagogen. Wir arbeiten aber auch zusammen mit der Sekten-Info in Nordrhein-Westfalen und anderen Einrichtungen.

Gestern erhielte wir zum Beispiel die spannende Frage: "Was passiert, wenn man nicht verzeiht?" Ja, was passiert dann eigentlich? Sagt dazu jede Religion was? In diesem Fall habe ich eine Antwort aus menschlicher Sicht formuliert und die Frage dann an unsere Religionsexperten weiter geleitet. Sie antworten was Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten, Bahai und Aleviten dazu sagen. Manchmal unterscheiden sich auch die Antworten der einzelnen Glaubensrichtungen, etwa bei den Protestanten oder Katholiken, den Schiiten oder Sunniten.

Das Projekt will auch Berührungsängste zwischen den Religionen abbauen? Wie gelingt das?

Baer-Krause: Es gibt immer dort Ärger, wo es einen Mangel an Wissen und Bildung gibt. Insofern verstehen wir religionen-entdecken.de in erster Linie als Bildungsprojekt. Wir wollen die Kinder darüber aufklären, warum sich manche Nachbarn ungewohnt kleiden, zu festen Zeiten beten oder ganz andere Feste feiern als sie selbst. Indem wir erklären, worum es dabei geht, können wir Ängste abbauen. Das ist unser Konzept. Wenn der erste Schritt getan ist, wollen wir die Kinder dazu animieren, sich zum Beispiel als Christ eine Moschee oder als Muslima eine Kirche anzuschauen. Neben reinen Wissenstexten im Lexikon gibt es auf unserem Portal  auch viele Buchttipps, Filme, Spiele, Quiz, Bastel- und Ausflugtipps, die Kindern die Religionen näher brigen. In einem Forum können sie sich austauschen. In unserem Erwachsenenbreich erhalten aber auch Pädagogen viele Impulse für den Unterricht. Dieser Bereich wird von der Universität Kassel betreut.

Was planen Sie für die Zukunft?

Baer-Krause: Ideen haben wir ganz viele. Konkret wird jetzt erst einmal das Modul "Religion + Gesellschaft" abgeschlossen. Wir planen zudem einen Ausbau der Quizspiele und wollen damit auch Apps für Smartphones entwickeln und religionen-entdecken.de für mobile Endgeräte weiter optimieren. Außerdem schlummert noch die Idee zu einem großen Online-Spiel in unseren Köpfen. Das sind jedoch alles Dinge, die viel Zeit und Geld kosten. Und finanziell schlingern wir ständig von einer Rechnung zur nächsten. Da wir nicht kommerziell aufgestellt sind, suchen wir dringend nach Unterstützung für die Fortführung des Projektes. Unser größter Wunsch wäre eine Dauerförderung durch eine Behörde oder noch besser eine längerfristige Unterstützung durch einen Vertreter der Wirtschaft, den wir natürlich als Vorbildunternehmen auf unserer Seite hypen würden.   

Gabriele Hoerschelmann: "Ich bin evangelisch, weil ..."


Gabriele Scherle: "Ich bin evangelisch, weil ..."

Bedford-Strom zur Karwoche: Gewalt hat nicht das letzte Wort

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EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm: "Die Osterbotschaft gibt mir die tiefe Überzeugung, dass die Gewalt am Ende nicht das letzte Wort hat."

Zum Beginn der Karwoche hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, die Bedeutung von Ostern als Fest des Friedens hervorgehoben. "Die Osterbotschaft gibt mir die tiefe Überzeugung, dass die Gewalt am Ende nicht das letzte Wort hat. Das ist in einer Zeit, in der wir so viel Terror, Gewalt und Hoffnungslosigkeit in der Welt erleben, mehr denn je eine starke und kraftvolle Botschaft", sagte der Bischof der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Die Kirche müsse immer wieder Auskunft geben über das, was Karfreitag und Ostern bedeuten. "Der christliche Glaube bringt gerade diese beiden Aspekte des Lebens so überzeugend zusammen: auf der einen Seite das Leiden, die Hoffnungslosigkeit, die Gewalt, die Verzweiflung, die Abgründigkeit des menschlichen Daseins - und gleichzeitig aber auch die Hoffnung. Das ist der Spannungsbogen zwischen Karfreitag und Ostern", schilderte Bedford-Strohm die Symbolik des Festes.

Gibt es Karfreitag ohne Ostern?

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Kruzifix im Sonnenuntergang

Foto: Getty Images/Zoonar RF/J.Wachala

Christus hängt am Kreuz, tot. Mit diesem Bild geht der Gottesdienst am Karfreitag zu Ende. Keine gute Nachricht, kein Trost, keine Freude. Sollten Pfarrinnen und Pfarrer am Karfreitag schon von der Auferstehung reden, damit der Tag nicht so schwer wird?

"An Karfreitag verlässt man so ein bisschen die Komfortzone der Predigt", sagt Pfarrerin Kathrin Oxen, die in Wittenberg das Zentrum für evangelische Predigtkultur leitet. "Da teilt man nicht gerade Dinge mit, die jeder gerne hören möchte. Aber das muss man, glaube ich, auf sich nehmen. Dem kann man sich an diesem Tag nicht entziehen." Keine fröhlichen Lieder, kein Altarschmuck, keine Kerzen. In den ersten Jahrhunderten feierten die Christen überhaupt keinen Gottesdienst an Karfreitag, sondern fasteten.

"Für mich ist es der schwerste Tag im Jahr", sagt Birgit Mattausch, Pfarrerin in Nürtingen-Roßdorf (Württemberg). Und ihre Kollegin Friederike Erichsen-Wendt aus dem hessischen Nidderau meint: "An Karfreitag kommt es wirklich drauf an. Da ist es mir auch ein echtes Anliegen, nicht zu mogeln." Wenn in der biblischen Erzählung steht: "Er neigte das Haupt und verschied" (Johannes 19,30), dann muss die Pfarrerin davon reden – auch wenn es ihr und der Gemeinde weh tut. Immerhin, meint Kathrin Oxen, ist die Karfreitagserzählung (Markus 15, Matthäus 27, Lukas 23, Johannes 19) im Vergleich zu Ostern "in dem Sinne nicht so schwer, dass man ja an Karfreitag über ein historisches Ereignis predigen muss, was man auch nachvollziehen kann". Im Gegensatz zu Jesu Auferstehung "weiß man bei der Kreuzigung, dass das wirklich so war".

"Wir stellen uns dem und überspringen es nicht"

Doch was soll man dazu sagen, zu dieser Kreuzigung, auf der Kanzel? Was bedeutet es für die Gottesdienstgemeinde an diesem Freitagmorgen, wenn sie ihren Blick auf den toten Jesus am Kreuz richtet? Für Friederike Erichsen-Wendt ist das Karfreitagsthema "die Welt ohne Gott". Gerade Christen machten schließlich die Erfahrung, dass Gott "radikal abwesend" ist. Birgit Mattausch sieht im "Tod Gottes" den "Zusammenbruch aller Sinnzusammenhänge", und Kathrin Oxen hat für Karfreitag immer die menschliche Erfahrung von Ohnmacht im Hinterkopf. Dass Gott "diese Ohnmacht und das Leiden selber auf sich genommen hat in Jesus Christus, es selbst erfahren hat am eigenen Leibe – das würde ich stark machen". 

Einen etwas anderen Zugang wählt – jedenfalls in diesem Jahr – Hendrik Maskus, Pfarrer der evangelischen Altmünstergemeinde in Mainz. In der gesamten Karwoche ist Maskus dieses Jahr mit Konfirmanden unterwegs. "Ist dieser Jesus gescheitert?", fragt er sich mit den Jugendlichen. "Oder ist es eine radikale Konsequenz seines Lebens zu sagen: 'Ich renne nicht weg - und wenn ich dabei mein Leben lasse, für die andern und auch für das, wofür ich immer eingetreten bin.'?" Gerade für Jugendliche sei es spannend, meint Maskus, "zu sehen, dass einer auch den Tod in Kauf nimmt und sagt: 'Ich halte durch. Ich mache das.'" Der Mainzer Pfarrer versucht, sich zusammen mit den Konfirmanden in die Situation Jesu hineinzuversetzen und dann sich selbst zu fragen: "Wo bin ich authentisch? Wo ducke ich mich weg?"

Doch nicht nur die Konfis, erst recht erwachsene Gottesdienstbesucher wissen ja: Das mit dem Kreuz, das war nicht die ganze Geschichte. Die Evangelien berichten, dass Jüngerinnen und Jünger Jesus gesehen haben – auferstanden, lebendig (Markus 16, Matthäus 28, Lukas 24, Johannes 20). Darf eine Pfarrerin, ein Pfarrer die Auferstehung an Karfreitag schon andeuten? Ist das vielleicht sogar geboten? Nein, sagt Friederike Erichsen-Wendt: "Ich finde, sich dieser Erfahrung der Abwesenheit Gottes wirklich in Gänze auszusetzen – wenn das das Proprium von Karfreitag ist, sollte man das auch ernst nehmen und nicht sagen: 'Aber eigentlich wissen wir doch…'." Kathrin Oxen sieht das ähnlich. "Es muss einen Tag geben, an dem eben nicht gleich verraten wird, dass doch noch alles gut ausgeht, sondern an dem klar ist, dass es sinnloses Leiden gibt", sagt die Predigt-Expertin. "Dieses Gefühl des hilflos-Seins, des daneben-Stehens, das ist Gott eben auch nicht fremd."

Auch Birgit Mattausch sagt: "An Karfreitag schauen wir uns diese Gottverlassenheit und dieses Entsetzliche daran an. Wir stellen uns dem und überspringen es nicht." Schließlich entspreche "Scheitern, Gottverlassenheit, Sinnlosigkeit" der Lebenserfahrung vieler Menschen. "Das muss einen Platz haben", findet die Pfarrerin, gerade in einer Welt, "wo immer alles schön sein muss, schnell wieder lächeln und ja nicht depressiv sein, alle sind immer gut drauf und erfolgreich…". Nein, so ist das Leben eben nicht, es gibt auch Krisen, sagt Birgit Mattausch. Das Bild von Jesus am Kreuz ist für sie Sinnbild einer ganz großen Krise: "In dem Moment stand die Welt auf der Kippe."

"Das Kreuz leer, das Grab leer, Christus lebt"

Hendrik Maskus möchte an Karfreitag zumindest "die Osterbotschaft nicht zu schnell bringen" und "nicht thematisieren, dass ja alles nicht so schlimm ist und dass es auf jeden Fall weitergeht". Doch er sagt auch: "Es hilft uns, dieses Leid auszuhalten, wenn wir an der Karfreitagsbotschaft nicht stehenbleiben, sondern wissen, es kommt Ostern – und darauf hoffen können." Um eine kleine Brücke zu schlagen, ohne gleich schon in Osterjubel auszubrechen, betet der Mainzer Pfarrer mit seiner Gemeinde oft im Karfreitagsgottesdienst – quasi mit Jesus am Kreuz – den 22. Psalm. "Der hat ja zum Schluss so einen Lichtblick. So einen Lichtschein, dass man sagt: Ich hoffe trotzdem auf diesen Gott, auch wenn er mich verlassen hat." 

Während Hendrik Maskus die Osterbotschaft nur sehr vorsichtig andeutet, gehört sie für Hans-Georg Ulrichs an Karfreitag dazu – am Schluss der Predigt oder in den Fürbitten. "Niemand wird froh anhand des Kreuzes. Deshalb wäre es merkwürdig, finde ich, wenn wir das Kreuz alleine predigten", sagt der Heidelberger Hochschulpfarrer. "Natürlich ist das Kreuz ein 'Ärgernis', wie Paulus sagt. Natürlich sagt Paulus auch: Jeder hat sein Kreuz zu tragen in einer Kreuzesnachfolge, das ist sicher auch richtig. Aber das Kreuz als Symbol für das Christentum ist ja leer, weil Christus abgenommen wurde und auferstanden ist." Ulrichs gibt zu bedenken, dass die biblischen Texte zirkulär, also immer wieder gelesen wurden und werden. Deswegen wüssten heutige Kirchgänger genauso gut wie die ersten Christengemeinden, wie die Geschichte von Jesus weiterging: "Das Kreuz leer, das Grab leer, und Christus lebt. Auf diese Zusage leben wir hin, auch am Karfreitag. Es gibt Karfreitag nicht ohne Ostern."  

Dass über Inhalt und Liturgie des Karfreitagsgottesdienstes immer wieder und immer weiter nachgedacht werden muss, zeigt sich auch an einem für diesen Tag seltsamen Ritual: dem Abendmahl. "Mir leuchtet das ehrlichgesagt gar nicht ganz ein. Es gehört an Gründonnerstag", sagt Pfarrer Ulrichs und vermutet: "Man kapituliert ein wenig vor der volkskirchlichen Sitte." So sieht das auch Kathrin Oxen vom Zentrum für evangelische Predigtkultur: "Man geht davon aus, dass es ein ganz wichtiger Feiertag ist, der ohne Abendmahl irgendwie nicht recht vollständig ist." Auch sie findet es passender, das Sakrament am Vortag zu feiern, zur Erinnerung an Jesu letztes Mahl mit den Jüngern. Ein Abendmahl an Karfreitag "steht immer in der Gefahr, den Opfergedanken in besonderer Weise nochmal aufzurufen", gibt Kathrin Oxen zu bedenken. "Es gab ja eine breite Diskussion darüber, ob der Gedanke des stellvertretenden Opfers heute überhaupt noch zugänglich und zeitgemäß ist." Hans-Georg Ulrichs findet das "heikel, weil wir ja das Opfer Christi nicht nachvollziehen im Abendmahl. Das wäre römisch-katholisch". Die Schwesterkirche übrigens feiert an Karfreitag keine Eucharistie.

Birgit Mattausch war quasi gezwungen, eine neue Interpretation für das Abendmahl an Karfreitag zu finden. "Ich war in Bayern im Vikariat. Dort hatten wir jeden Sonntag Abendmahl, nur nicht Karfreitag", erzählt die Pfarrerin. "Und dann kam ich nach Württemberg, wo es sehr üblich ist, dass an Karfreitag Abendmahl gefeiert wird und sonst eher selten." Die Pfarrerin kam ganz durcheinander. "Ich hab gedacht: Das geht doch nicht, ich kann doch nicht die Gemeinschaft mit Gott feiern, während ich eigentlich noch dabei bin, Gottverlassenheit zu denken." Dann hat sie versucht, sich selbst "dieses komische Abendmahl an Karfreitag" zu erklären: "Auch in dieser Gottverlassenheit können wir zueinander stehen. Und vielleicht kann daraus etwas wachsen. Das kann vielleicht ein kleiner Trost sein, aber keine Antwort."

"Wer mein Fleisch kaut und mein Blut trinkt, bleibt in mir"

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Für Jan Heilmann geht es beim Abendmahl um Jesu Lehre
Kelch mit Wein und ein Stück Brot.

Foto: iStockphoto/Magdalena Kucova

An Gründonnerstag feiern Christen das Abendmahl zur Erinnerung an Jesu letztes Mahl mit den Jüngern. Brot und Wein stehen dabei als Symbole für Christi Leib und Blut. Doch der Theologe Jan Heilmann zieht das in seiner Doktorarbeit in Zweifel: Jedenfalls dem Evangelisten Johannes sei es nicht um Jesu Körper gegangen, sondern um seine Worte.

Johannes 6,53-59+63+68, aus dem Griechischen übersetzt von Jan Heilmann:

53 Es sprach nun zu ihnen Jesus: Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohnes und nicht trinkt sein Blut, habt ihr kein Leben in Euch. 54 Derjenige, der mein Fleisch kaut und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben und ich werde ihn aufwecken am letzten Tag. 55 Denn mein Fleisch ist wahres Essen und mein Blut ist das wahre Trinken. 56 Derjenige, der mein Fleisch kaut und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm. 57 Ebenso wie mich der lebendige Vater geschickt hat und ich so durch den Vater lebe, so wird derjenige, der mich kaut, –auch dieser wird durch mich leben. 58 Dieser ist das Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Nicht wie die Väter gegessen haben und gestorben sind – Derjenige, der dieses Brot kaut, wird leben in Ewigkeit. 59 Dies sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte. (…) 63 Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch hilft gar nichts. Die Worte, die ich zu euch gesagt habe, sind Geist und sind Leben. (…) 68 Es antwortet ihm Simon Petrus: Herr, zu wem sollten wir gehen? Worte des ewigen Lebens hast Du.

Herr Heilmann, Ihre These lautet: "Essen und Trinken ist die Annahme von Lehre." Wie kamen Sie auf die Idee, eine Arbeit zu dieser These zu schreiben?

Jan Heilmann: Ich habe mich mit Mysterien im Johannesevangelium beschäftigt, also mit der Vorstellung des Gott-Essens zum Beispiel. Darauf verweisen ja die Begriffe vom Fleisch-Essen und Blut-Trinken, so ist es zumindest immer angenommen worden. Ich war also mit einer anderen Fragestellung an den Text herangegangen und der hat sich meiner Idee dann entgegengestellt: Die Textanalyse hat mir gezeigt, dass eine solche Vorstellung im Johannesevangelium gar nicht zu finden ist, sondern dass Jesus mit dem Essen seines Fleisches und dem Trinken seines Blutes auf die Aufnahme seiner Lehre hinweist. Jesus ist im Johannesevangelium immerhin das fleischgewordene Wort Gottes.

Heute sagen wir ja "auf etwas herumkauen" oder "ein Buch verschlingen". Gab es diese Art von Essens-Metaphern für Nachdenken oder Lesen auch in der Antike?

Heilmann: Diese Metaphern waren sehr weit verbreitet. Sehr häufig finden wir zum Beispiel in den rabbinischen Texten, dass das Hören der Lehre der Rabbinen als Wassertrinken bezeichnet wird. Ganz spannend ist, was mir dann aufgefallen ist und was so auch bisher in der Forschung noch nicht gesehen worden ist, dass man eben auch das "Fleisch" von Menschen "essen" konnte und das dafür stand, dass man ihre Bücher las. Bei Origenes steht, dass die Fleischteile von Christus, seine Knochen und sein Blut, die göttlichen Schriften sind, die verzehrt werden müssen, um Christus zu haben. Bei Makarios Magnes taucht ein Grieche auf, der die Brotrede in Johannes 6 absolut nicht verstehen möchte, der es "bestialisch und absurd" findet, Menschenfleisch zu essen – und der Christ Makarios erklärt es ihm dann mit dieser Metaphorik. Ich habe diese alten Auslegungen erst relativ spät während meiner Dissertation gefunden und war dann ganz baff, dass man das in der Antike so lesen konnte.

Können Sie denn am Text selbst beweisen, dass bei der Brotrede in Johannes 6 eine Metapher angewandt wurde und mit "Fleisch" und "Blut" nicht "Brot" und "Wein" gemeint war?

Heilmann: In Johannes 6 kann man das, denke ich, ganz gut zeigen, weil zum einen der Begriff, der da im Griechischen steht - Fleisch, sarx - nicht das gekochte Fleisch meint, das man beim Essen isst, sondern das lebendige Fleisch, in dem Blut fließt. Also eigentlich ist das wörtliche Lesen, "mein Fleisch essen und mein Blut trinken", eine Unmöglichkeit, die Jesus da fordert. Wir müssen uns die Erzählsituation so vorstellen: Jesus ist mit einer Gruppe von Zuhörern, unter ihnen auch Jünger, in der Synagoge in Kapernaum und diskutiert mit ihnen. Die Hörer auf der Ebene der erzählten Welt müssten sich also vorstellen, sie sollten ihn verspeisen, wie er da vor ihnen steht, und nicht den gekreuzigten und dann gekochten Jesus. Wenn man sich den Erzählverlauf von Johannes 6 anschaut, wird deutlich, dass das eine gezielte Provokation ist, die Jesus da formuliert. Am Ende scheiden sich nämlich die Geister an Jesu Forderung, sein Fleisch zu essen. Diejenigen, die verstehen, sagen: "Worte des lebendigen Lebens hast du." Petrus sagt explizit: "Worte." Und Jesus selbst schlüsselt diese Metaphorik auf, indem er sagt: "Das Fleisch ist zu nichts nütze, der Geist ist's, der lebendig macht." Das heißt, es ist so inszeniert, dass diejenigen, die es materiell missverstehen, die sind, die Jesus sowieso verlassen, weil sie nicht glauben. Und diejenigen, die die Glaubensvoraussetzungen haben, die also seine Lehre verstehen können, die bleiben als Zwölferkreis bestehen.

Es gibt ja auch in den anderen Evangelien Abendmahl-Erzählungen und es gibt die Einsetzungsworte im ersten Korintherbrief, "Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot…". Ist es da auch metaphorisch gemeint?

Heilmann: Da ist zunächst einmal aus Sicht der neueren Forschung die Frage, inwiefern man sie als "Einsetzungsworte" bezeichnen kann. Es ist nämlich schwierig, aus den Deuteworten selbst zu belegen, dass Jesus vermeintlich ein Kultmahl eingesetzt hat, bei dem ein kleines Stückchen Brot und ein kleines Schlückchen Wein symbolisch konsumiert worden wäre. Wir würden das in der Wissenschaft als Zirkelschluss bezeichnen. Setzt man hingegen ein solches Kultmahl nicht voraus, dann sieht man, dass diese Deuteworte über dem Austeilen des Weins und über dem Austeilen des Brotes je in ihrem Kontext eine ganz eigene Bedeutung haben. Die frappanteste Stelle ist für mich Lukas 22,20, wo eben gerade entgegengesetzt der traditionellen Deutung, dass das Blut vergossen würde, im Griechischen ganz eindeutig der Becher vergossen wird. Hier ist also ein Ausgießungsritual angedeutet, das in der Antike eine Bundesschlusszeremonie, eine Vertragsbesiegelung darstellt. Und beim Brotwort, gerade im ersten Korintherbrief, geht es darum, dass es Spaltungen in der Gemeinde gibt. Jesus sagt: "Dies ist mein Leib", während er das Brot an seine Jünger austeilt. Das gibt Paulus den Korinthern als Argument an die Hand, dass es keine Spaltungen geben dürfe. Denn die Gemeinde ist der eine Leib und das Austeilen des Brotes durch Jesus definiert diesen einen Leib als Christusleib. Er verweist also mit "dies ist mein Leib" nicht auf sich, sondern das ausgeteilte Brot repräsentiert die anwesenden Mahlteilnehmer.

Was bedeutete ein antikes Mahl mit Brot und Wein?

Heilmann: Zunächst mal muss man sagen, dass antike Mähler natürlich anders abgelaufen sind als Mahlzeiten heute. Man hat zum Beispiel gelegen. Es gab erst einen Essensteil, dann eine Übergangszeremonie und dann ein so genanntes Symposion, bei dem man zusammen Wein getrunken und sich unterhalten hat. Nach dieser kulturellen Vorlage haben auch die frühen Christen Mahl gehalten und deren Mahlzeiten waren auch nicht auf Brot und Wein beschränkt. Die Hauptbedeutung eines solchen Mahls war eigentlich, dass es Gemeinschaft gestiftet hat. Menschen sind zusammengekommen und haben sich beim Mahl als Gruppe konstituiert. In den Texten geht es meistens um Mahlkonflikte: Da werden die Werte des Mahls – also die Gemeinschaft, die Eintracht, der Frieden – hochgehalten, um zu zeigen, wie das ideale Mahl aussieht, das die ideale Gemeinschaft repräsentiert.

"Wenn Sie mich nach der gemeinsamen Dimension all dieser Texte fragen, dann ist das Abendmahl etwas Gemeinschaft Stiftendes"

Wenn Sie das alles erzählen, kommt mir der Gedanke, dass alles ein großes Missverständnis ist mit dem Abendmahl. Die Frage ist offensichtlich nicht, in welcher Weise Christus in Brot und Wein gegenwärtig ist, was ja in der Reformationszeit zu Spaltungen geführt hat. Müssen wir das Abendmahl völlig neu interpretieren?

Heilmann: Diese Frage hat mich gerade im Nachgang der Arbeit beschäftigt. Verstehen wir das Abendmahl falsch und hat die Kirche es missverstanden? Dazu würde ich mittlerweile sagen: Missverständnis ist vielleicht die falsche Kategorie. Roland Barthes hat gesagt, dass der Autor eines Textes tot ist. Damit meint er, dass die Rezeption eines Textes ungesteuert passiert: Ein veröffentlichter Text wirkt, und hinter dieses Wirken ist nur schwer zurück zu kommen. Die Texte des Neuen Testamentes hatten gerade durch ihre Zusammenstellung ihre Wirkung: Die Metaphern in den Abendmahlstexten und in Johannes 6 sind in der Kirchengeschichte ritualisiert worden, und deshalb fällt es uns heute so schwer, die "Abendmahls-Brille" beim Lesen dieser Texte abzusetzen. Eine konsequente Frage wäre: Worauf beziehen wir uns mit unserer heutigen Praxis des Abendmahls? Müssen wir das so machen, wie es in den Texten steht? Dann müsste man sich hinlegen und genauso Mahl halten wie in der Antike, aber das kann ja auch nicht das Ziel sein. Wir können die Auslegungsgeschichte und die Traditionen, die sich in der Kirche entwickelt haben, nicht einfach beiseite wischen. Ich weiß, dass das für das evangelische sola scriptura-Prinzip mit Schwierigkeiten behaftet ist, aber im Moment ist es für mich eine offene Frage, wie man damit umgeht.

Die Frage nach der Rezeptionsgeschichte wird ja noch viel bedeutungsvoller, wenn man an die Abendmahlsfrage – was ist Blut und Fleisch? – auch die gesamte Sühnopfertheologie dranhängt: Jesus als Opfer, gestorben zur Vergebung der Schuld, Versöhnung. Alles ungültig?

Heilmann: Naja, zumindest ist eine Sühnopfertheologie so in den Texten nicht mit dem Mahl verknüpft. Ein interessanter Unterschied zwischen den Evangelien ist, dass der Zusatz "zur Vergebung der Sünden" nur in den Deuteworten bei Matthäus vorkommt, bei den anderen nicht. Und bei Matthäus hat das die Bedeutung, dass Jesus hier einen Sündenvergebungsbund stiftet, indem er seinen Jüngern das Brot gibt und sie aus einem Becher trinken lässt. Es ist dann eher der Auftrag an die Jünger, untereinander die Sünden zu vergeben und hat nicht die Bedeutung, dass durch seinen Tod die Sünden vergeben würden. Das hat in diesen Deuteworten überhaupt keinen Platz. Die Interpretation der katholischen Kirche, dass das Bekommen von Brot und Wein als christologisch gedeutete Elemente eine Heilsbedeutung für das Individuum hat, entwickelte sich definitiv später, nämlich erst im dritten bis vierten Jahrhundert.

Wenn Sie mich nach der gemeinsamen Dimension all dieser Texte fragen, dann ist das Abendmahl etwas Gemeinschaft Stiftendes. Da könnte die Perspektive für ein Überdenken bisheriger Abendmahlstheologie liegen: dass es kein Mahl sein darf, das spaltet – so wie in Korinth – sondern dass im Mahl die Gemeinschaft der Christusgläubigen zum Ausdruck kommen muss. Insofern sind natürlich gerade die christologischen Streitigkeiten, die damit verbunden sind, einigermaßen schwierig, da sie ja kirchenspaltend gewirkt haben.

Wenn Sie ganz normal sonntags in die Kirche gehen und an einem Abendmahl teilnehmen: Können Sie das alles wegschieben, was Sie jetzt im Kopf haben?

Heilmann: Nein, das kann ich nicht wegschieben. Ich bin da meistens in einem Analysemodus. Das Ding bekomme ich sehr schwer ausgeschaltet.

Erleben Sie trotzdem in dem Moment Gemeinschaft?

Heilmann: Es gibt, glaube ich, andere Momente im kirchlichen Leben, wo ich mehr Gemeinschaft erlebe als bei der Ausgestaltung des Abendmahls, so wie es im Moment in den Kirchen durchgeführt wird. Allerdings steht für mich bei einem Abendmahl in der evangelischen Kirche das Gemeinschaftserleben stärker im Zentrum als in der katholischen, jedenfalls wenn man im Kreis steht. Insofern ist nicht alles schlecht beim Abendmahl und ich kann das auch mitfeiern. Wenn ich das Essen von Brot und das Trinken von Wein im Sinne von der Metaphorik von Johannes 6 verstehe, wenn es also symbolisch steht für das Durchkauen und das Durchdenken dessen, was ich vorher von der Kanzel gehört habe, dann kann ich mit gutem Gewissen am Abendmahl teilnehmen, auch mit den neutestamentlichen Texten im Hinterkopf.

AHA - Das ist der Unterschied zwischen Auferweckung und Auferstehung

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Lazarus war schon toll, aber zu Ostern geschieht mehr
Eine Leiter ragt in den Himmel.

Foto: lassedesignen/Daniel Bunn/fotolia/(M)evangelisch.de

Die Auferstehung Jesu ist das Wichtigste Bekenntnis der Christenheit. Aber was unterscheidet sie eigentlich von den Totenauferweckungen, von denen in der Bibel bereits vorher die Rede ist? Claudius Grigat und Frank Muchlinsky im Gespräch.

Was Sie eigentlich schon immer über Kirche, Glaube oder Religion wissen wollten, aber sich bislang vielleicht nicht zu fragen wagten... Claudius Grigat und Pfarrer Frank Muchlinsky sprechen über höchst Heiliges, kurios Kirchliches und scheinbar Selbstverständliches.

 

Theologie als Widerspruch

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Am 8. April wird Jürgen Moltmann 90 Jahre alt
Der evangelische Theologe Jürgen Moltmann , aufgenommen in seinem Lesezimmer in seiner Wohnung in Tübingen am 23.09.2015.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Jürgen Moltmann wurde durch seine "Theologie der Hoffnung" bekannt, die er 1964 veröffentlichte.

Seine "Theologie der Hoffnung", in der er ein engagiertes und widerständiges Christentum fordert, hat ihn berühmt gemacht. Für Jürgen Moltmann war Theologie immer politisch. Am 8. April wird er 90 Jahre alt.

Theologie zu betreiben, bedeutet für Jürgen Moltmann, sich einzumischen. Daran hält der Hanseat, der zu den bedeutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts zählt, bis ins hohe Alter fest. Ganz egal, ob es um Ökologie, Menschenrechte oder die Zukunft der Kirche geht. Am 8. April wird der in Tübingen lebende Theologieprofessor 90 Jahre alt.

Krieg und Gefangenschaft haben den 1926 in Hamburg geborenen Theologen geprägt. Im Zweiten Weltkrieg erlebte er als junger Flakhelfer den Tod eines Schulfreundes aus unmittelbarer Nähe. "In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Gott geschrien und mein Leben in Gottes Hände gelegt", schrieb er später in seiner Autobiografie. In britischer Kriegsgefangenschaft beschäftigte sich Moltmann, der aus einer atheistischen Lehrerfamilie stammt, intensiv mit der Bibel. Über seine Zeit in dem Studien-Gefangenenlager Norton Camp sagte er einmal, er habe nie mehr in seinem Leben so intensiv Theologie erlebt wie in den zwei Jahren in Kriegsgefangenschaft.

Bekannt wurde Moltmann durch seine "Theologie der Hoffnung", die er 1964 veröffentlichte. In dem Buch macht er - inspiriert durch "das Prinzip Hoffnung" des jüdischen Philosophen Ernst Bloch - die christliche Hoffnung für die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft fruchtbar. "Wer auf Christus hofft, kann sich nicht mehr abfinden mit der gegebenen Wirklichkeit, sondern beginnt an ihr zu leiden, ihr zu widersprechen", schreibt Moltmann.

Das Werk, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, traf die Fragen der Zeit. "Moltmann propagiert ein umstürzlerisches, gesellschaftsveränderndes - wie er sagt, ursprüngliches - Christentum und offeriert damit Christen und Kirchen eine Theologie, die zur aktiven, ja aggressiven Auseinandersetzung mit der politischen Gegenwart ermächtigt und anfeuert", urteilt im Jahr 1968 das Hamburger Magazin "Der Spiegel".

Christlicher Glaube, so die Überzeugung Moltmanns, hat stets gesellschaftliche Relevanz. Während des Prager Frühlings nahm der Theologe in der damaligen Tschechoslowakei am christlich-marxistischen Dialog teil. Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center 2001 in den USA geißelte er den dabei zum Ausdruck kommenden lebensvernichtenden Nihilismus. Scharf kritisierte er im vergangenen Jahr die Hinrichtung der US-Amerikanerin Kelly Gissendaner, mit der er mehrere Jahre lang eine Brieffreundschaft unterhalten hatte.

Moltmann äußert sich bis heute zur Ökologie, engagiert sich in jüdisch-christlichen Gesprächen und in der Ökumene. In seinem Buch "Der Gekreuzigte Gott" entfaltete er 1972 eine Theologie nach Auschwitz und fragte nach der Bedeutung des Todes Christi für die Gegenwart. 2010 veröffentlichte er - 46 Jahre nach der "Theologie der Hoffnung" - seine "Ethik der Hoffnung". Darin beschreibt er die Grundlinien des ethischen Handelns, das für sein Leben leitend war und ist. Noch mit knapp 90 reiste er Anfang dieses Jahres zum Weltkirchenrat, wo er für mehr Engagement der Christen in dieser Welt warb.

Als Professor für Dogmengeschichte arbeitete der Theologieprofessor zunächst an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, ehe er 1963 nach Bonn berufen wurde. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte er in Tübingen, wo er bis heute lebt. Moltmann ist mit der feministischen Theologin Elisabeth Moltman-Wendel verheiratet und hat vier Kinder.

Der Theologe hat zahlreiche Auszeichnungen und mehrere Ehrendoktortitel erhalten. Die Stadt Ludwigshafen verlieh ihm den Ernst-Bloch-Preis. Im Jahr 2000 wurde er mit dem US-amerikanischen "Grawemeyer Religion Award" geehrt. Der Theologe gelte als "einer der aufregendsten und angesehensten Theologen der Welt", hieß es in der Begründung des mit 200.000 Euro dotierten Kulturpreises. "Meine theologische Tugend", hat Moltmann einmal gesagt, "war nicht Demut, sondern nur die Neugier und Fantasie für das Reich Gottes."

Theologe Moltmann wird 90 Jahre alt

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Der evangelische Theologe Jürgen Moltmann sitzt in einem Sessel im Lesezimmer seiner Wohnung in Tübingen.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Jürgen Moltmann im Lesezimmer seiner Wohnung in Tübingen.

Der Tübinger Theologieprofessor Jürgen Moltmann wird an diesem Freitag 90 Jahre alt. Er gilt als einer der bedeutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, würdigte Moltmanns wissenschaftliches Lebenswerk, das weltweit Akzente gesetzt habe. Moltmann wurde in den 60er Jahren durch seine "Theologie der Hoffnung" bekannt, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde und Theologen weltweit beeinflusst hat. Die Schrift habe eine Wirkungsgeschichte entfaltet, die ihresgleichen sucht, schrieb Bedford-Strohm in einem am Donnerstag in Auszügen veröffentlichten Brief an den Jubilar: "Der Titel dieses Werkes ist zu einem eingeführten Begriff der Theologiegeschichte geworden."

Seine theologischen Studien begann Moltmann, der 1926 in Hamburg geboren wurde, in englischer Kriegsgefangenschaft. Er war Gemeinde- und Studentenpfarrer in Bremen. 1957 wurde er Professor an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, 1963 wechselte er nach Bonn. Von 1967 bis zur Emeritierung 1994 lehrte er Systematische Theologie und Sozialethik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Die Bremische Evangelische Kirche würdigt Jürgen Moltmanns 90. Geburtstag mit einem "Fest der Freundschaft" vom 15. - 17. April. Den Anfang bildet ein Empfang am 15. April mit einer Laudatio von Heinrich Bedford-Strohm. Am 16. April folgt ein Symposium mit dem Titel "Ewigkeit und ewiges Leben". Den Abschluss bilden am Sonntag, den 17. April um 10 Uhr ein Festgottesdienst in Jürgen Moltmanns früherer Kirche in Wasserhorst mit einer Predigt von Pastor Renke Brahms, Schriftführer in der Bremischen Evangelischen Kirche.

Großes Fest in Bremen

Moltmann erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Ernst-Bloch-Preis und den mit 200.000 US-Dollar dotierten Grawemeyer Award in Religion der Grawemeyer Foundation an der Universität Louisville/Kentucky (USA). In den 80er Jahren hielt er die Gifford Lectures in Schottland.

Der Theologe fühlte sich stets der Ökumene verpflichtet. 20 Jahre lang war er Mitglied der Abteilung "Faith and Order" (Glaube und Kirchenverfassung) des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf. Noch Anfang dieses Jahres reiste er zum Weltkirchenrat, wo er für mehr Engagement der Christen in der Welt warb. Moltmann ist mit der feministischen Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel verheiratet. Gemeinsam haben sie vier Kinder.


Neue Gesichter im Ethikrat

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Wenn wissenschaftlicher Fortschritt und Moral aufeinanderprallen, ist in Deutschland der Ethikrat gefragt. Aktuell konstituiert er sich neu. 14 der 26 Mitglieder aus dem alten Ethikrat scheiden turnusmäßig aus. Auf evangelischer Seite bleiben Bischof Martin Hein und der Sozialethiker Peter Dabrock dem Gremium erhalten.

Organspende, Embryoadoption, Beschneidung, Sterbehilfe, Killerviren - das Themenspektrum des Deutschen Ethikrats war in den vergangenen Jahren nicht gerade klein. Einberufen durch den Bundestag beschäftigt sich das Gremium intensiv mit Fragen, deren Beantwortung den normalen gesetzgeberischen Rahmen sprengt. Die 26 Mitglieder aus Medizin, Recht, Kirchen, Naturwissenschaften, Philosophie und Ethik sind gefragt, wenn sich Fortschritt und Ethik beißen. Sie beleuchten umstrittene Wissenschaftsthemen ausführlich und vor allem kontrovers - und kommen dennoch zu Empfehlungen an die Politik, die sich in ein Gesetz gießen lassen.

Sechs Stellungnahmen hat das Gremium in den vergangenen vier Jahren vorgelegt, dazu fünf kürzere Erklärungen zu aktuellen Themen. Seine Voten zur religiös motivierten Beschneidung und zum assistierten Suizid gaben wichtige Impulse in den jeweils erhitzten politischen Debatten und fanden Eingang in die jeweiligen gesetzlichen Regelungen. Die Amtszeit des Ethikrats läuft jetzt aus, am 28. April treffen sich die neuen Mitglieder zur konstituierenden Sitzung. Es werden viele neue Gesichter am Tisch sitzen: 14 der 26 Mitglieder gehörten dem Ethikrat bislang nicht an.

Pluralität von Meinungen ist erwünscht

Viele Mitglieder scheiden aus, weil das Ethikrats-Gesetz nur eine einmalige Wiederwahl erlaubt. Dazu gehören die bisherige Vorsitzende Christiane Woopen und die Stellvertreter Wolf-Michael Catenhusen und Jochen Taupitz. Auch der katholische Weihbischof Anton Losinger und der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sind nicht mehr dabei. Auf evangelischer Seite bleiben Bischof Martin Hein und der Sozialethiker Peter Dabrock dem Gremium erhalten. Dabrock war ebenfalls stellvertretender Vorsitzender des Ethikrats.

Neu in das Gremium gewählt wurden nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) die Juristen Steffen Augsberg, Dagmar Coester-Waltjen und Volker Lipp, der Genetiker Wolfram Henn, die Medizinethikerin Alena Buyx, die Medizinsoziologin Adelheid Kuhlmey, der Psychologe Andreas Kruse, die Familientherapeutin Petra Thorn, die Biologinnen Sigrid Graumann und Ursula Klingmüller, die Pflegewissenschaftlerin Gabriele Meyer, die katholischen Theologen Andreas Lob-Hüdepohl und Franz-Josef Bormann sowie der Physiker und Interessenvertreter von Mukoviszidose-Patienten, Stephan Kruip.



Nicht nur die "Neuen" spiegeln die Vielfalt im Ethikrat, die stets kontroverse Debatten verspricht. In der Vergangenheit fand das Gremium "trotz tiefgreifender Differenzen in grundlegenden Fragen" immer zu einer Empfehlung für die Praxis, resümierte die Medizinethikerin Christiane Woopen die vergangenen vier Jahre. In manchen Punkten gab es Mehrheitsvoten, in stark umstrittenen Punkten Sondervoten - das gilt vor allem für Erklärungen der katholischen Vertreter bei Fragen um den Status künstlich erzeugter Embryonen.

Woopen wehrt sich aber gegen den Vorwurf, durch unterschiedliche Voten würde der Ethikrat keine Orientierung geben. Die Pluralität von Meinungen sei vielmehr gewünscht. "Wäre er in Fragen, die gesellschaftlich und politisch notorisch umstritten sind, einhelliger Auffassung, würde das nur bedeuten, dass er einseitig zusammengesetzt wäre", sagte sie bei der Vorstellung der letzten Stellungnahme kürzlich in Berlin.

Manches blieb unvollendet

Der Sozialethiker Peter Dabrock sagte dem epd, er schätze die Breite der Themen im Ethikrat und die Art und Weise, wie dieser sich in öffentliche Debatten eingemischt habe. Dabrock verwies auf die neu eingeführten "Ad-Hoc-Stellungnahmen" zu Beschneidung und Sterbehilfe, aber auch auf die Stellungnahme zur Biosicherheit, in der es um den Umgang mit Killerviren in der Forschung geht. Die Stellungnahme werde inzwischen weltweit als Referenzdokument angesehen, sagte Dabrock.

Bei großem Arbeitspensum mündete aber nicht jedes besprochene Thema der vergangenen vier Jahre in einer Position. "Wir haben das Thema Big Data und Gesundheit nicht zu einer Stellungnahme vollenden können, aber möglicherweise entscheidet sich der neue Ethikrat dazu, dieses Thema weiterzuführen", sagte Dabrock.

Woopen äußerte bei ihrem Abschied noch einen Wunsch bezüglich der Stellungnahme zur genetischen Diagnostik aus dem Jahr 2013, in der der Ethikrat gesetzgeberischen Handlungsbedarf anmahnt. Mit dem Fortschreiten der Technik seien die Empfehlungen von damals aktueller denn je, sagte Woopen. "Es wäre schön, die eine oder andere würde auch noch umgesetzt", sagte sie.

Ethikrat mit 14 neuen Mitgliedern

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Andreas Lob-Hüdepohl ist einer von 14 neuen Mitgliedern im Deutschen Ethikrat.

Foto: dpa/A9999 Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin

Andreas Lob-Hüdepohl ist einer von 14 neuen Mitgliedern im Deutschen Ethikrat.

Im neuen Deutschen Ethikrat wird mehr als die Hälfte der Mitglieder neu am Tisch sitzen. 14 der 26 Mitglieder scheiden mit dieser Amtsperiode aus dem Gremium aus, das für jeden nur eine einmalige Wiederwahl ermöglicht.

Unter den neuen Mitgliedern sind nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter anderem die katholischen Theologen Andreas Lob-Hüdepohl und Franz-Josef Bormann sowie der Physiker und Interessenvertreter von Mukoviszidose-Patienten, Stephan Kruip.

Ebenfalls neu gewählt wurden die Juristen Steffen Augsberg, Dagmar Coester-Waltjen und Volker Lipp sowie der Genetiker Wolfram Henn und die Medizinethikerin Alena Buyx. Dem Gremium werden außerdem die Medizinsoziologin Adelheid Kuhlmey, der Psychologe Andreas Kruse, die Familientherapeutin Petra Thorn, die Biologinnen Sigrid Graumann und Ursula Klingmüller sowie die Pflegewissenschaftlerin Gabriele Meyer angehören. Die Namen sind teilweise schon bekannt, weil der Bundestag die von ihm gewählten Kandidaten bereits veröffentlich hat. Noch nicht bekannt waren bislang die von der Bundesregierung benannten Mitglieder.



Die 26 Experten für den Ethikrat werden jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesregierung ausgesucht und vom Bundestagspräsidenten berufen. Sie beraten über ethisch umstrittene Themen und erarbeiten Stellungnahmen für die Politik. Zur Bandbreite der Themen gehörten in der vergangenen vierjährigen Amtsperiode unter anderem der assistierte Suizid, der Umgang mit Killerviren sowie Gen-Tests und Embryospenden.

Der neue Ethikrat kommt am 28. April zu seiner konstituierenden Sitzung in Berlin zusammen. Nicht mehr dabei sein wird die Vorsitzende Christiane Woopen sowie ihre Stellvertreter Wolf-Michael Catenhusen und Jochen Taupitz. Für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde der dritte Vize-Vorsitzende Peter Dabrock. Neben dem Theologen Dabrock ist Bischof Martin Hein als Vertreter der evangelischen Kirche weiter in dem Gremium. Auch der muslimische Mediziner Ilhan Ilkilic und der jüdische Arzt Leo Latsch gehören dem Ethikrat weiter an.

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

Das heikle Thema Judenmission

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Symbole für Weltreligionen Christentum und Judentum: Kreuz und Kipa.

Foto: epd-bild / Jörn Neumann

Menora, der siebenarmige Leuchter, und das Kreuz als Symbole für das heikle Thema Judenmission.

Auf die Frage, ob Christen Juden missionieren sollen, will die evangelische Kirche bis zum Reformationsjubiläum 2017 eine eindeutige Antwort finden. Am 16. April gibt es eine erste Diskussion, dabei wird es auch um einzelne Wörter gehen.

Die Forderung des Präsidenten des Zentralrats der Juden war deutlich: Die Frage, ob Christen Juden zu ihrem Glauben bekehren sollen, werde in der Erklärung "Martin Luther und die Juden" von der Synode "leider sehr vage" behandelt, sagte Josef Schuster im November 2015 vor dem höchsten evangelischen Kirchenparlament und verlangte eine "klare Absage" an die Judenmission. Er sei zuversichtlich, "dass Sie bis 2017 noch nachbessern werden".

Die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, kündigte daraufhin an, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wolle bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 ihre Haltung zur umstrittenen Judenmission klären. Nun sind alle Synodalen für den 16. April zu einem Studientag nach Hannover eingeladen, diskutiert wird hinter verschlossenen Türen. Ob daraus bis zur Synode im November ein konsensfähiger Antrag wird, ist nicht sicher. Denn über die Judenmission wird in der evangelischen und auch der katholischen Kirche schon seit Jahrhunderten diskutiert, nach dem Holocaust wieder aufgenommen auf Kirchentagen der 60er Jahre.

Dialog? Gespräch? Begegnung?

Heute gibt es in der EKD eine Mehrheit gegen die Judenmission, darunter auch der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Doch die Minderheit ist hartnäckig. Im Jahr 2000 hieß es in der EKD-Denkschrift "Christen und Juden III" zur Judenmission: Diese gehöre "heute nicht mehr zu den von der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Gliedkirchen betriebenen oder gar geförderten Arbeitsfeldern". Manche Gruppen seien aber nicht bereit, diese Distanzierung mitzutragen, heißt es weiter unter Verweis auf evangelikale Kreise innerhalb und außerhalb von Landeskirchen. Zugleich stellten die Verfasser fest, "dass dieses Thema bisher nicht ausreichend bearbeitet worden ist". Für Streit sorgt auch der Umgang mit messianischen Juden - Juden, die an Jesus als den Messias glauben.



Die Verfasser der Denkschrift definierten die Judenmission als eine "planmäßig durchgeführte, personell und institutionell organisierte Aktivität von Christen mit dem Ziel der Verbreitung christlichen Glaubens unter jüdischen Menschen". Das klingt klar, ist es aber nicht. Ebenso wie die Begriffe Dialog, Gespräch und Begegnung, mit denen in anderen Dokumenten hantiert wird.

Das zeigt das Wort "Gespräch" in einem Papier der württembergischen Synode aus dem Jahr 1999. In der Landeskirche wird wegen starker evangelikaler und pietistischer Gruppen die Auseinandersetzung besonders kontrovers geführt. Die Synodalen einigten sich auf die "angemessene Gestaltung" des Verhältnisses von Christen und Juden "in der Form des Gesprächs über den Glauben und im je eigenen Zeugnis in diesem Dialog in Achtung vor der Identität des Gegenübers". Doch während 39 Synodale dies als Ablehnung der Mission unter Juden verstanden, sahen 32 darin keine grundsätzliche Ablehnung.

Gottes auserwähltes Volk

In der Interpretation einzelner Worte liegt heutzutage wohl der Unterschied. So hebt der Vorsitzende des pietistischen Evangelischen Gemeinschaftsverbands Württemberg, Steffen Kern, die "einzigartige Verbundenheit zwischen Juden und Christen" hervor und ist für einen respektvollen Dialog. Er plädiere "nicht für eine strategische Mission", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er plädiere aber für ein "unbefangenes Christuszeugnis", dass also "wir Christen im Gespräch mit allen Menschen, auch Juden, Auskunft darüber geben, was unser Herz bewegt". Die Spannung, dass Juden in Jesus nicht den Messias sähen, "müssen wir aushalten", sagte Kern, der sich selbst als dialogbereit in dieser Diskussion bezeichnet. Dennoch müsse "das Ringen um die Wahrheit stattfinden" und für ihn gehöre dazu, "dass ich mir wünsche, dass mein jüdischer Gesprächspartner meine christliche Sicht annimmt".

Neben geschichtlichen Erwägungen wie der, dass sich eine Mission unter Juden nach dem Holocaust grundsätzlich verbiete, geht es um theologische Argumente. Ein Knackpunkt ist die Frage der bleibenden Erwählung Israels: die Überzeugung, dass die Juden das von Gott erwählte Volk bleiben, obwohl sie den Glauben an Jesus als Messias nicht angenommen haben. Ratsvorsitzender Bedford-Strohm sagte im November 2015 in einem epd-Gespräch: Im Römerbrief werde deutlich, dass durch Jesus Christus nicht der Bund Gottes mit Israel aufgelöst wurde. Deshalb könne man nicht sagen, dass Juden nur durch Christus zu Gott kämen.

Umstritten ist auch, ob der Missionsauftrag in Matthäus 28,19 auch für das jüdische Volk gilt. Die Befürworter argumentieren, Christen dürften Juden ihre Möglichkeit zum Heil nicht vorenthalten. In der EKD-Schrift "Christen und Juden II" hingegen steht, dass letztendlich Gott "über die Wirkung des Glaubenszeugnisses und über das Heil aller Menschen" entscheide und die Mission somit seine Sache sei.

Jürgen Moltmann als "großen Lehrer der Kirche" geehrt

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Bedford-Strohm: "Jürgen Moltmann ist der weltweit bekannteste deutsche Theologe der Gegenwart." Seine "Theologie der Hoffnung" beeinflusste Theologen weltweit.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hat den Theologen Jürgen Moltmann als "einen großen Lehrer der Kirche" gewürdigt. Bedford-Strohm sagte am Freitagabend zu Beginn eines dreitägigen Festes der Freundschaft in Bremen anlässlich des 90. Geburtstages des Theologieprofessors, Moltmann habe "seiner Kirche gerade dadurch gedient, dass er sie bis heute immer wieder auch kräftig kritisiert hat". Er sei der weltweit bekannteste deutsche Theologe der Gegenwart.

Seine vielen Bücher seien in unzählige Sprachen übersetzt worden, die Sekundärliteratur über sein Werk sei kaum noch erfassbar, unterstrich der Ratsvorsitzende laut Redemanuskript. Hunderte Dissertationen in allen möglichen Sprachen seien über ihn verfasst worden. Die zahlreichen Ehrungen in allen Teilen der Welt sprächen eine klare Sprache: "Jürgen Moltmann ist so etwas wie eine personifizierte Absage an alle Provinzialität in der Theologie."

Der Tübinger Theologieprofessor Moltmann, der in Hamburg geboren wurde, ist am 8. April 90 Jahre alt geworden. Er begann seine Karriere in Bremen. Von 1953 bis 1957 war er Pastor der kleinen Gemeinde Wasserhorst und auch Studentenpfarrer. Moltmann wurde in den 60er Jahren durch seine "Theologie der Hoffnung" bekannt, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde und Theologen weltweit beeinflusst hat. Seine theologischen Studien hatte er in englischer Kriegsgefangenschaft begonnen. Von 1967 bis zur Emeritierung 1994 lehrte er Systematische Theologie und Sozialethik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

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